DER ADVOKAT

Die Gründungsinstitution

Um die Geschichte eines Ortes zu kennen, gibt es nichts Besseres, als sie von jemandem zu hören, der sie hautnah erlebt hat, oder vielmehr von demjenigen, dessen Taten Spuren hinterlassen hat. An einem schönen sonnigen Nachmittag unterhielt ich mich also mit dem Rechtsanwalt Gino Carlo Mannoni – der von allen, nicht nur auf Le Esperidi, als der Advokat bezeichnet wird – im Garten seiner Unterkunft auf dem Campingplatz. Geboren im Jahr 1924, stolze Haltung und mit dem Blick jener Personen, die schon vieles durchgemacht haben, empfängt er mich mit einem Lächeln und äußerster Freundlichkeit.

Als ich ihn bat, ein paar schöne Erinnerungen mit mir zu teilen, sagte er mir sofort, dass er sich für einen einigermaßen glücklichen Menschen halte: In verschiedenen Episoden, die eng mit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung standen, sah er den Tod an ihm vorbeiziehen, der sich dann aber wieder entfernte und ihm erlaubte, seinen Lebensweg fortzusetzen. Ich kann nicht umhin, an meinen geliebten Großvater Stefano zu denken, der mir, als ich klein war, immer erzählte, dass er dreimal zur Hinrichtung an die Wand gestellt wurde, und dass im letzten Momente immer etwas geschah, das ihn rettete. Ich bin sehr beeindruckt von der Klarheit, mit der der Advokat mir seine Erinnerungen zum Ausdruck bringt. Sein Leben war insbesondere vom Verlust seines kleinen Bruders Riccardo geprägt, ein Unglück, das sich während der Kriegszeit ereignete. Der zehnjährige Riccardo half zusammen mit seinen älteren Brüdern beim Bau eines Luftschutzbunkers in der Umgebung von Cecina, als er von einem Erdrutsch überwältigt wurde und ein großer Erdklumpen eine tödliche Blutung verursachte.  Der damals gerade erst 20-jährige Gincarlo, wie man ihn in der Familie immer nannte, wurde zusammen mit seinem Vater direkt auf dem Weg zum Ort des Vorfalls, den sie wegen der kurz zuvor erhaltenen schrecklichen Nachricht mit zerrissenem Herz zurücklegten, von einer Patrouille deutscher Soldaten gefangen genommen, die in einer Säuberungsaktion den nur wenige Stunden zuvor verübten Mord an einem ihrer Kameraden rächen wollten. Vater und Sohn, die genau wussten, was auf sie zukommen würde, wurden auf eine Lichtung geführt, wo sie mit dem schrecklichen Anblick von mehr als 50 Leichen frisch erschossener Zivilisten konfrontiert wurden. Wie es das Schicksal wollte, wurden die Vergeltungsaktionen kurz danach durch die Ankunft des Pfarrers Don Mazzetto Rafanelli von Guardistallo unterbrochen, der die Soldaten anflehte und sein Leben im Austausch für die Befreiung der noch nicht hingerichteten Zivilisten anbot. Auf diese Weise gelang es ihm, die Soldaten davon zu überzeugen, von ihrer bösen Tat abzulassen. Sogar die Geschichtsbücher erzählen von diesem tragischen Ereignis, das als Massaker von Guardistallo bekannt ist und dessen Gedenktag jedes Jahr am 29. Juni gefeiert wird.

Doch ich würde gerne wissen, wie Le Esperidi entstanden sind. Ich erfahre, dass dieses große Anwesen der Familie von Gincarlos Frau, Frau GiulianaUmbertos Mutter gehörte und sich in einem Gebiet befand, das zu jener Zeit nur für Jagdaktivitäten bestimmt war. Seine Augen strahlen, wenn er an diese wilde, unwegsame Landschaft voller Wildkaninchen denkt, die von den für dieses Dünengebiet charakteristischen Sumpfgebieten – in einem davon wurde ein Badesee angelegt – geprägt war.

Seine Stimme schafft es, mich dorthin zu versetzen, in die 50er – 60er Jahre, und dann sehe ich Gincarlo und Giuliana an ihrem Hochzeitstag am 30. Juni 1962 vor mir. Die Idee, auch einen Campingplatz zu betreiben (Gincarlo mit einem Abschluss in Agrarwissenschaft und Jura hatte gewiss schon zahlreiche Verpflichtungen) entstand, als eine frühere Pionierleitung niedergelegt wurde, und so entstand im Mai 1971 der Campingplatz Le Esperidi. Der Name inspiriert sich an der griechischen Mythologie (Hesperia war der antike Name, den die Griechen Italien gaben), wo der Garten der Hesperiden einen wunderschönen Ort darstellte, der mit dem irdischen Paradies von Dante vergleichbar war.

Der Anwalt lacht und denkt an die Zeit zurück, als es noch nicht all diese Lichter gab, die wir heute haben, sondern nur rund 10 Laternen für den ganzen Bereich, und man nur Unmengen an Zelten sah, die im Laufe der Jahre durch Wohnwagen, Wohnmobile und Mobilheime ergänzt und ersetzt wurden. Als ich ihn fragte, ob er den Campingplatz von damals oder von heute bevorzugt, antwortete er mir, dass ihm all die Veränderungen gefielen, die bis heute vorgenommen wurden, da sie ausnahmslos im Einklang mit der Natur realisiert wurden. Stets auf verantwortungsvolle und nachhaltige Weise wurden Bäume gepflanzt und Bauwerke gebaut, wobei man sich dem Kampf gegen Insekten, die für Mensch und Bäume (insbesondere den Kiefernwald) schädlich sind, und um die schlechte Umwelterziehung vielen Menschen zu stellen hatte.

Was ist aus all den Wildkaninchen geworden? Ich erfahre, dass ein Virus, das in Australien von Landwirten eingesetzt wurde, um ihre Ernten zu schützen und sie vor einer übermäßigen Vermehrung von Kaninchen zu bewahren, die auf den Feldern wahre Katastrophen anrichteten, am Ende auch in Italien eingeführt wurde und ganze Kolonien erkranken und schließlich sterben ließ. Und leider konnten auch diejenigen, die in der Anlage Le Esperidi lebten, diesem Schicksal nicht entgehen.

Ich würde gerne wissen, welche Momente die schönsten Erinnerungen bergen. Wer mich kennt, weiß, dass ich sie „Lichtblicke“ nenne, also jene Momente, die so erfüllt, so gelebt sind, dass sie sich wie wundervolle Fotografien in unserem Inneren einprägen. Meine romantische Seite meint, dass es gerade diese Momente sind, für die es sich zu leben lohnt. Haben Sie den Film „Nuovo Cinema Paradiso“ gesehen? Mir blieb immer die letzte Szene in Erinnerung, in der Kuss-Szenen aneinandergereiht wurden, die aus verschiedenen Filmen geschnitten wurden … Für mich sind die Lichtblicke wie diese Küsse, die man sich immer wieder ansehen und vor dem Ableben genießen sollte. „Die Kinder auf diesem Land spielen und aufwachsen zu sehen und die unglaublichen Gefechte, denen wir standhalten mussten, um den Betrieb am Leben zu erhalten“. Seine Stimme ist so gefühlvoll, dass ich die Augen schließe, mich umdrehe und mir vorstelle, wie Umberto und seine kleine Schwester Emanuela auf jenen Wiesen Fangen spielten. Ich sehe sie aufwachsen und dann Emanuelas Tochter Sofia, die heute 15 Jahre alt ist, das Licht der Welt erblicken. Ich sehe den Anwalt, dessen Arbeit stets vom Wert seines Lebens geprägt war, der seine Kanzlei in Cecina verließ und, ohne seine Verpflichtungen vor Gericht zu vernachlässigen, auf die Felder ging und der landwirtschaftlichen Arbeit nachging, die er aus Leidenschaft und Pflicht gegenüber seinen Familienmitgliedern stets gewissenhaft ausübte.

Seine folgenden Worte brachten mich zurück in die Gegenwart: „Wir haben dieses Anwesen geerbt, da konnten wir uns glücklich schätzen, doch wussten wir es auf beste Weise aufzuwerten. Ohne harte Arbeit, Hingabe und Ausdauer erreicht man nichts.“

S.A.

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